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Das Steinkreuz von Mühlberg Mühlberg ist reich an Sehenswürdigkeiten, einer wechselvollen Geschichte und historischer Tradition, worauf die Einwohner stolz sein dürfen. Trotzdem konnte es geschehen, dass vor fast vier Jahrzehnten ein historisches Kleinod am Ortsrand spurlos verschwand. Vielleicht gelingt es aber doch noch, das Schicksal des steinernen Kreuzes aufzuklären, das zumindest bis Oktober 1972 vorhanden war. Das Steinkreuz - ein Denkmal an einen eigenartigen Unglücksfall. Am Abend des 8. Juni 1842 dürfte es in den Mühlberger Häusern nur ein Gesprächsthema gegeben haben: der nur wenige Stunden zurückliegende Tod einer jungen Frau und deren Tochter. Am Nachmittag hatte sich Friederike Thiel aus Mühlberg mit ihrer Tochter Albertine und einer weiteren, namentlich nicht bekannten Frau auf den Weg in Richtung Röhrensee gemacht. Noch ganz dicht in Ortsnähe geschah das Unglück, von dem später die vierzeilige Inschrift des Steinkreuzes kündete: „Eine Mutter und deren Tochter wurden hier am 8. Juni 1842 vom Blitz erschlagen.“ Karl Heepe, der 1916 als Erster in der heimatkundlichen Literatur über das Denkmal berichtete und es auch außerhalb des engeren Gebietes bekannt machte, konnte seinerzeit in Mühlberg noch eine interessante Geschichte zu dem Vorfall erfragen: „Noch leben in Mühlberg Personen, welche diese Mutter und deren Tochter, beides Mühlbergerinnen, gekannt haben. Das Außergewöhnliche beruht in folgendem: Mutter und Tochter gingen hintereinander her, und zwischen beiden ging eine dritte Frau. Alle drei Personen wurden vom Schlage getroffen. Aber während sich diese dritte Frau wieder erholte, blieben Mutter und Tochter tot. Ist dies schon seltsam, so wird die Angelegenheit durch das weitere noch seltsamer. Eine Schwester der erschlagenen Tochter verheiratete sich später nach Dietendorf. Auch diese Frau wurde 1891 oder 1892 bei einem Gewitter in ihrer Wohnung durch einen Blitzschlag getötet ....“ Das Mühlberger Kirchenbuch bestätigt den Tod der Friederike Thiel im Alter von 32 Jahren, 1 Monat und 4 Tagen sowie ihrer Tochter Albertine im Alter von 10 Jahren, 7 Monaten und 27 Tagen; sie seien „nachmittags 3 Uhr durch den Blitz erschlagen.“ Mit dem Steinkreuz wollten Familie und Freunde das Andenken an dieVerunglückten festhalten. Das Schicksal des Mühlberger Steinkreuzes Die Steinkreuze des Drei-Gleichen-Gebietes, in ihrer Aufstellung bis um 1400 zurück reichend, waren im September das Ziel einer Wanderung der evangelischen Kirchgemeinden. Dabei kam das Gespräch mit Herrn Wolfgang Schröter aus Mühlberg zwangsläufig auch auf das vermisste Steinkreuz seines Heimatortes. Es stand ursprünglich am nördlichen Rand der Straße nach Röhrensee, in Höhe der Scheunen, etwa 100 m von den letzten Häusern entfernt. Der pensionierte Erfurter Stadtbaurat Heinz Köber, der 1960 eine erste Bestandsübersicht der Steinkreuze Thüringens publizierte, fotografierte es 1957 noch am Standort stehend, „an Ortstafel“. Als Maße gibt er eine Höhe von 50 cm, Breite von 60 cm und Stärke von 20 cm an. Dem Jenaer Steinkreuzfreund Ernst Fischer verdanken wir ein gutes Foto vom Mai 1964. Seine Standortbeschreibung orientiert sich an markanten Merkmalen der Umgebung: „100 m östlich“ des Wegweisers bei Scheune mit Schützenvogel“. Als der Eisenacher Steinkreuzforscher Erwin Riske aus Eisenach das Kreuz vier Jahre später, 1968, aufsuchte, fand er es „abgebrochen“ und umliegend vor, aber noch immer an Ort und Stelle. Das war 1971 nicht mehr der Fall, denn als Hintergrund ist auf seinem Dia die Wand eines Hauses erkennbar. So lag es noch im Oktober 1972, als ein heimatinteressierter Schüler aus Erfurt nach dem Steinkreuz suchte und es an der vorderen Scheunenecke liegend fand. Das dabei entstandene Foto, aufgenommen mit der Rollfilm-Ercona seiner Eltern, gilt bis heute als letztes Bild des Mühlberger Steinkreuzes. Bei der Erarbeitung des gesamtthüringischen Inventarwerkes der Steinkreuze, deren erster Band 1984 erschien, suchte derselbe Forscher vergebens nach dem Kreuz; auch Umfragen im Ort blieben im Sommer 1982 ohne Erfolg. Der damalige Bürgermeister Fröhlich versagte seine Hilfe nicht und befragte Einwohner. „Leider konnte keiner der Angesprochenen, wozu auch Ortschronist, Kulturbund-Mitglieder und der Naturschutzbeauftragte gehörten, den Verbleib anzeigen. Es wird vermutet, dass Unbefugte das umgefallene Kreuz entfernt haben, da keine Spuren mehr zu finden sind“, fasste er am 16.12.1982 das Resultat zusammen. So bleibt das Schicksal des Steinkreuzes, das 1957 zum geschützten Bodendenkmal erklärt worden ist, bis heute rätselhaft. Ausblick Vielleicht ist es doch noch möglich, das Steinkreuz vier Jahrzehnte nach seinem Verschwinden wieder aufzufinden. Entweder ist es - versteckt, sichergestellt oder im Erdreich versunken doch noch vorhanden, oder aber wäre die Anfertigung einer Nachbildung eine überdenkenswerte Idee. Dem Ort würde damit ein weiterer historischer Akzent hinzugefügt bzw. wiedergegeben, eine weitere Sehenswürdigkeit auf den Karten und Wegweisern vermerkt sein. (Text: Frank Störzner, Kleinmölsen, in: Amtsblatt der Gemeinde Drei Gleichen, ‘Drei-Gleichen-Bote’, 16. Jg., 23. Oktober 2009, S. 9-10)
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