Die oberhalb des Textes nur noch schwach erkennbare Jahreszahl wurde unterschiedlich gelesen; sie schwankt zwischen 1506 bis 1706, wobei die früheren Datierungen wohl eher zutreffen, was sich auch aus dem Schriftbild ergibt. Auf einem handgezeichneten Plan (StiA, U 6595, Riß der abgesteinten gänzlichen Pfarrzehents Plagae ad S. agatham wegen privatwein, Wiesen und äcker zehent Im Ziegelberg und Galgenfeldt) des Kaninikers Johann Philipp Endres (1655-1713), Pfarrer von St. Agatha von 1696 bis 1713, ist dieses Kreuz, das an der Mörswiese die Gemarkungsgrenze zwischen Damm und der Stadt anzeigte (confinia inter Damm et urbem), mit dem Zusatz versehen crux alicuius hic enacati (ein Kreuz, hier wurde jemand erwürgt/erstickt). Genaueres zu dem Hergang der Tat wußte J. P. Endres scheinbar auch nicht, obwohl der Tatort in seinem Pfarrsprengel lag; demnach könnte der Mord vor seinem Amtsantritt geschehen sein. Sicher scheint zu sein, daß es zwei Täter waren - jedenfalls nach der Darstellung von E. Schaefer -, die nach dem Verbrechen auch 'dingfest' gemacht werden konnten, nachdem sie ihr Opfer mit einem Stein beschwert und im Main versenkt hatten.
Die Deutung 'einsamer Weg' in Zusammenhang mit der Zeitangabe 'Mitternacht' läßt eher auf eine männliche Person als auf ein 'ehr- oder einsames Mägdelein' als Opfer schließen; eine junge Frau, zu mitternächtlicher Stunde weit vor der Stadt am Mainfluß? Wenn ja, dann höchstens in Begleitung ihrer Mörder. So müssen alle Überlegungen, in welcher Richtung auch immer, nur Vermutungen bleiben. Das schlichte, verwitterte Kreuz wird wohl nie mehr sein Geheimnis preisgeben; und so nimmt sich die Sage dieses mysteriösen Falles an, sie kommt jedoch zu einer völlig anderen Erklärung (Johann Schober, Sagen des Spessart, Aschaffenburg 1885, S. 24). Von dem textlichen Hinweis auf dem Stein nimmt die Legende keine Notiz, wahrscheinlich wegen der seit sehr langer Zeit unlesbaren Schrift. Ihr Hauptindiz sind die zwei, wie angenommen wird, eindeutig dargestellten Tatwerkzeuge, die ebenso zwingend bestimmten Berufsgruppen zugeordnet werden können: das Messer einem Metzger, der Säbel einem Soldaten (in der Sage wird der Spieß zum Säbel). Und so wird der 'Kriminalfall' in der Neuausgabe der 'Herrlein-Sagen' von Johann Schober beschrieben:
Unweit von dem Kreuze der Kindesmörderin (s.u.), unten gegen den Main zu, steht ein kleines Feldkreuz, ganz verwittert. Auf dem Stein sind einige Striche zu schauen, welche sich wie ein Messer und ein Säbel ausnehmen. Da gingen einmal die zwei besten Freunde hinunter, ein Soldat und ein Metzger. Im Verlauf ihres Gesprächs aber bekamen sie an jener Stelle Streit, der sich bis zur Entfachung der höchsten Zorneswut steigerte. Und es zog der Soldat seinen Säbel und der Metzger sein Messer. Damit haben sich beide tötlich verwundet. Im Sterben jedoch verziehen sie einander und so fand man sie im Tode vereint liegen.
Hier hat J. Schober (1843-1922) wohl die volkstümliche Interpretation bei der Deutung der Symbole unter Mißachtung des entzifferten Textes die Phantasie blühen lassen; Valentin Pfeifer (1886-1964) dagegen, der 'Vater der Spessartmärchen', hat in seiner neu bearbeiteten, ab 1946 herausgegebenen Sammlung, auf diesen Text verzichtet (Textkopie)
Quellangaen: Lit.: 1. Peter Burkart, Giesela van Driesum, Martin Kempf, Peter Ziemer, Bildstöcke, Flurdenkmale und Kreuze in Aschaffenburg, Aschaffenburg 2003, S. 60-63 m. Abb. (Textkopie/Auszüge)
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