Mordsühnekreuze im Kreis Frankenstein (Powiat Zabkovice Slaskie), Stand 1939, von Paul Bretschneider |
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In der schlesischen Heimatlandschaft standen sie, die steinernen Kreuzeszeichen am Wegrand oder an einer Wegekreuzung. Sie ragten aus dem Acker, und der Pflug zog in gebührender Entfernung seine Furchen um sie herum. Oder sie mahnten den Dörfler bei jedem Kirchgang, wie jene Kreuze, die in die Kirchhofsmauer der katholischen Kirche von Schönwalde eingelassen sind. Auch die Großstadt Breslau barg zwei solcher Zeugnisse mittelalterlicher Rechtsübung. Sie befanden sich, kaum beachtet und kaum gekannt, inmitten des brandenden Großstadtverkehrs. Das eine stand auf dem Königsplatz hinter dem Bismarkdenkmal in den Anlagen an der Schmalseite des Stadtgrabens, ein wenig unter Sträuchern verborgen. Der Stamm des Kreuzes war fast 90 cm hoch, der Querbalken etwa 40 cm. Unmittelbar über der Erde war eine undeutliche Markierung angebracht, die als Messer gedeutet werden konnte. Das zweite stand am Freiburger Bahnhof, der auf dem Gelände eines einstmaligen Friedhofs angelegt war. Das Kreuz wurde seiner ursprünglichen Bestimmung entfremdet und bei einer Erweiterung des Friedhofs im 16. Jahrhundert mit der Inschrift versehen: ‘1573 den 3. Aprilis Erweitert Der Kirchhoff.’ |
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Die Errichtung von Steinkreuzen gehörte zu den Sühnen, die an die Stelle der Blutrache und des Wer- und Manngeldes (s. Anmerkung) getreten waren. Ein Mörder bzw. Totschläger musste sie zum Heile der Seele des Erschlagenen und zur Versöhnung mit der Familie des Getöteten errichten. Als Buße waren daneben noch hl. Messen zu bestellen, Wachs an die Kirchen zu geben, Wallfahrten auszuführen und die Kosten eines feierlichen Begräbnisses und die Gerichtskosten zu tragen. Das Ergebnis einer solchen Gerichtsverhandlung wurde urkundlich dokumentiert und die Ausführung des Versprochenen, insbesondere auch die Leistungen für den Unterhalt der geschädigten Familie und die Erziehung der ihres Ernährers beraubten Kinder, überwacht. Die Hauptzeit, in der das Setzen von Sühnekreuzen üblich war, lag zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert. In dieser Zeit war die Kreuzsetzung eine Forderung des Gerichts neben anderen Forderungen der Buße und war Bestandteil des deutschen Rechts. Prozessbeschlüsse, Urteile, die zu der Steinkreuzsetzung führten, fanden sich in den alten Stadt- und Gerichtsbüchern von Breslau, Bolkenhain, Goldberg, Neumarkt, Schweidnitz, Strehlen oder in den Landbüchern des Neisser Landes. |
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Das älteste Zeugnis aus deutschem Raum, das wir datieren können, ist das Markuskreuz von Warmissen, das sich jetzt im Vorgarten des Göttinger Heimatmuseums befindet. Die Jahreszahl wird als 1260 (?) gelesen. Aus Schlesien ist uns ein ebenfalls sehr früher Beleg über die Steinkreuzsetzung bekannt: Die Herzogin von Schlesien und Herrin von Fürstenberg beurkundet am 4. Dezember 1305 in Striegau wegen des Totschlages an Konrad von Langenberg, begangen durch den Bruder Konrad, ehemals rector curie von Zedlitz, dass neben anderen Sühneleistungen ein Kreuz aufgestellt werden soll: In signum eciam composicionis super occisionis locum crux est locata. Es ist der erste bekannte schlesische Beleg einer solchen Steinkreuzsetzung. |
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Aus den erhaltenen Urkunden lassen sich für die Wahl des Aufstellungsortes der Kreuze zwei Gesichtspunkte unterscheiden. Der eine bevorzugt den Ort der Tat, der andere eine Örtlichkeit mit lebhaftem Verkehr. Ihre Aufstellung an Straßen und Wegen mahnte die Öffentlichkeit und erhöhte die Zahl der fürbittenden Gebete. Die in die Kirchhofmauer von Schönwalde eingelassenen Kreuze werden aus letzterem Grund dort angebracht worden sein, denn die Kirchhofmauer steht unmittelbar an einer viel befahrenen Straße. Wo aber ein Sühnekreuz seitwärts von betretenen Wegen, vielleicht gar tief im Gebüsch verborgen gefunden wird, ist mit Sicherheit anzunehmen, dass es am Tatort steht. Das ist z.B. bei dem Stein unweit der Staudenmühle zwischen Baumgarten und Riegersdorf der Fall gewesen. Die Mehrzahl der Kreuze ist ohne Schrift oder Zeichen, ein Beweis, dass ihre Bedeutung so volkstümlich war, dass sie einer Erklärung nicht bedurfte. Doch finden sich auch zahlreiche Kreuze mit primitiven Darstellungen von Mordwaffen, meist in vertieften Umrissen: Messer, Beile, Schwerter, Armbrüste, Speere. Sehr viele Sühnekreuze sind aus Gleichgültigkeit oder Unverstand zerschlagen und beseitigt worden, andere hat man aus Aberglauben in früheren Zeiten umgelegt und vergraben. Ende der 1930er Jahre waren im Kreis Frankenstein noch 27 solcher Mordsühnekreuze festgestellt worden. |
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1. Banau (Dzbanov), Steinkreuz nordwestl. vom Ort, ca. 30 m südl. der Straße nach Frankenberg (Przylek), an der Zufahrt zum Dominium (Gutshof), früher auf der südl. Straßenseite ca. 100 m von der Brücke entfernt, Steinkreuz mit Winkelstützen, Sandstein, 1,0 m/0,82/0,33 |
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2. Baumgarten (Braszowice), Steinkreuz am Wege nach Riegersdorf, unweit der Staudenmühle, ein Kreuzarm abgebrochen, auf der Nordseite: ‘Anno 1675 den 15. Dec ... allhier ist Tob... Kopper ersch...gen worden ...’, 0,87/0,51/0,13, Sandstein |
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3. Briesnitz (Brzeznica), Steinkreuz eingemauert in den oberen Teil der Mauer neben dem Westeingang zum Kirchhof, roter Sandstein 4. Briesnitz, Steinkreuz eingemauert am östlichen Eingang zum Kirchhof, 0,83 m/0,90 |
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5. Gierichswalde (Laskowka), Steinkreuz an der Dorfstraße in der Nähe des Transformatorenhauses, früher auf einer Wiese nördlich der ‘Klapperkapelle’ zwischen der alten und neuen Straße nach Johnsbach, Zahl 16 verweist wohl Inschriftsreste in das 17. Jh., 1,16 m/0,60/0,23, Sandstein |
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6. Groß Olbersdorf (Olbrachcice Wielkie), Steinkreuz neben dem Spritzenhaus, das ehemals zertrümmerte Kreuz mit eisernen Klammern zusammengehalten, eingeritzter waagerechter Strich mit Angabe ‘W. Höhe 1786’ gibt den Hochwasserstand dieses Jahres an, im unteren Teil des Schaftes stehende Jahreszahl ebenfalls Hochwassermarke, 1,04 m/0,36, Granit 7. Groß Olbersdorf, Steinkreuz an der Straße nach Löwenstein gegenüber der Einmündung des Weges von Peterwitz her, das Kreuz steckt bis zum Querbalken in der Erde, 0,56 m/1,11/0,20, Sandstein |
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8. Laubnitz (Lubanice), an der Straße von Kamenz zum Bahnhof, am Abzweig des Laubnitzer Weges, an der Grabenböschung, 0,94 m/0,50/0,20, Granit |
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9. Protzan (Zwrocona), Steinkreuz am ‘Kapellenweg’ von Frankenstein her, rechter Arm fehlt, auf dem Kopfbalken die Buchstabe I. N., 1,70m/0,47/0,15, Granit |
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10. Reichenau (Topola), Steinkreuz am Weg nach Schlottendorf auf einer Wiese, rechter Arm fehlt 11. Reichenau, Steinkreuz am Weg nach Schrom, bis zu den abgeschlagenen Querbalken in der Erde |
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12. Riegersdorf (Rudziczka), Steinkreuz auf dem Grundstück des Bauern Wiedemann, Arme beschädigt, Vorderseite 4 tiefe Wetzrillen (Arzneizauber ?), Sandstein |
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13. Rosenbach (Rozana), Steinkreuz links der oberen Kirchhofpforte in die Mauer eingelassen, 0,92 m/0,75, Gneis |
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14. Schönwalde (Budzow / Prudnik), Steinkreuz eingelassen in die südl. Kirchhofmauer (Straßenseite), Bruchlinie unter Querbalken, 15. Steinkreuz in die südl. Kirchhofmauer eingelassen, auf dem Kreuz ein eingeritztes X, roter Sandstein, 16. Steinkreuz in die südl. Kirchhofmauer eingelassen, auf dem Kreuz schwach erkennbare Umrisse eines Kelches (einmalig in Schlesien), Sandstein, 17. Steinkreuz eingelassen in die südl. Kirchhofmauer, auf der Schauseite eine eingeritzte Armbrust |
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18. Seitendorf (Zatonie), Steinkreuz im Wald, an dem Wege nach Klein-Belmsdorf, 1,05 m/0,90/0,31, Sandstein |
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19. Bärwalde (Niedzwiednik), Steinkreuz an der Kreuzung des vom Bahnhof Altmannsdorf nach Schlause führenden Weges mit dem von Hertwigswalde nach Bärwalde, 0,65 m/0,52/0,22, mit einer Sichel in vertieften Umrissen, einziges schlesische Mordsühnekreuz, das eine Sichel als Mordwerkzeug trägt |
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20. Brucksteine (Mrokocia), Steinkreuz im Dorf, westl. der Kapelle, 0,82 m/0,79/0,15 |
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21. Heinzendorf (Skrzynka), Steinkreuz südl. vom Dorf am Waldrande, nördl vom Butterberg, 1,59 m/0,59/0,16, mit Dolch in vertieften Umrissen |
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22. Hertwigswalde (Doboszowice), Steinkreuz zwischen dem oberen Grabenrand und dem Vorgärtchen der Pohl’schen Besitzung, 2,10 m/1,14/0,18 |
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23. Ober-Pomsdorf (Pomianow Gorny), Steinkreuz außen an der Kirchhofmauer, östl. neben dem Tor, 1,45 m/1,02/0,13 |
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24. Olbersdorf (Rososznica), Steinkreuz mit abgeschlagenen Armen, da es als Stufe beim Aufgang zur Kirche gedient hatte, jetzt an der Außenseite der Kirchhofmauer, rechts vom Eingang eingelassen, eingemeißelte Umrisse eines Zweihänderschwertes, 1,42 m/0,40, Granit |
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25. Weigelsdorf (Ostroszowice), Steinkreuz ohne Abzeichen in der Kirchhofmauer außen links vom Tor unter wildem Wein, 1,40 m/0,38 |
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26. Weigelsdorf, Steinkreuz ohne Zeichen im Niederhof vor der Besitzung von Wilde, Granit, 1,40 m |
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27. Schimmelei (Jaslowek), Steinkreuz mit breitem, erhabenem Kreuz als Abzeichen, etwa 100 m vom Transformatorenhaus auf Leipe zu , rechts von der Straße, 0,58 m/0,46, Granit |
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Anmerkung: Wergeld, althochdeutsch weragelt, wergelt, zu althochdeutsch wer ‘Mann’, war im germanischen Recht das Sühnegeld. Bei einem Totschlag musste der Totschläger eine Entschädigung leisten, und zwar an diejenigen Angehörigen des Erschlagenen, die sonst Blutrache hätten ausüben müssen. Daher ging das Wergeld an die nächsten männlichen Verwandten; gab es diese nicht, auch an Frauen. Wergeld wurde aber auch auf andere Vergehen angewandt. Andere Bezeichnungen waren z.B. Manngeld, Friedegeld, Wiedergeld. |
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Quellen: Bretschneider, Paul: Mordsühnekreuze im Kreis Frankenstein, in: Frankenstein-Münsterberger Heimatkalender 1939. Steller, Walther: Sühnekreuze - Steinerne Zeugen unseres Rechts, in: Ostdeutsche Monatshefte 24. Jg. 1958 |
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Quellangaben: Unsere Heimat, Monatsblätter für Heimatkunde und Heimatkultur, in: Frankenstein - Münsterberger Rundschau, Nr. 11/12, Herausgeber: Bundesheimatgruppe Kreis Frankenstein, Bielefeld 2017, S. 8-9 (Textkopie) |
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