SÜHNE- ODER PESTKREUZ IN HAUNKENZELL? Vor der östlichen Außenmauer der Kirche in Haunkenzell steckt ein 40 cm hohes, 58 cm breites und 12 cm dickes unscheinbares Steinkreuz ohne Inschrift im Boden. Um 1900 wurden auf dem 'Kuchlbauernfeld', auf dem sich jetzt der Friedhof befindet, drei alte Steinkreuze ausgeackert. Man vermutet, dass sich an dieser Stelle früher die Grabstätte für Pesttote befand. Oftmals wütete in unserer Gegend diese furchtbare Seuche, die häufig ganze Ortschaften dahinraffte. Deshalb begrub man die Pesttoten möglichst schnell, um dadurch auch die Ausbreitung der Krankheit etwas einzudämmen. Für Haunkenzell-Euersdorf lagen aber früher die Friedhöfe in Stallwang bzw. Rattiszell zu weit entfernt und so begrub man die Leichen unmittelbar am Ortsrand. Zwei der vor 100 Jahren ausgeackerten Steinkreuze waren schon derart verwittert, dass sie nicht mehr aufgestellt werden konnten. Nach mehrmaliger Versetzung wurde das dritte Kreuz aus Granit vor die Ostseite der Kirchenmauer gestellt. Da der Schaft teilweise abgeschlagen ist, musste das Steinkreuz bis zu den abgewitterten Kreuzarmen im Boden befestigt werden. Da gleich drei Kreuze gefunden wurden, könnte es sich tatsächlich um ein echtes Pestkreuz und um kein Sühnekreuz handeln, wie man häufig lesen kann. Sühnekreuze sind Denkmale mittelalterlichen Rechts. Sie waren ein Erfüllungsteil von Sühneverträgen, welche zwischen zwei verfeindeten Parteien geschlossen wurden, um eine Blutfehde wegen eines begangenen Mordes oder Totschlages zu beenden. Der überwiegende Teil der Sühnekreuze ist in einfacher Kreuzform gestaltet. In den seltensten Fällen finden sich eingeschlagene Jahreszahlen. Text findet sich auf keinem echten Sühnekreuz aus dem 13.-16. Jahrhundert. Der einfache Bauer hätte es ohnehin nicht lesen können, weshalb Bilddarstellungen dominierten. Mit der Einführung der Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. im Jahre 1533 wurden private Abmachungen nicht mehr geduldet, an ihre Stelle trat das ordentliche Gericht, das den Täter nach dem neuen Recht verurteilte. Die Sühneverträge waren zwar offiziell abgeschafft, lebten jedoch je nach Landessitte noch durch das ganze 16. Jahrhundert fort; erst im 17. Jahrhundert räumte man mit ihnen endgültig auf. Das Pestkreuz ist eine spezielle Form der Flur- oder der Grabkreuze, und wurde zum Gedenken der großen mittelalterlichen und neuzeitlichen Pestepidemien errichtet. Sie finden sich sowohl auf Friedhöfen, eigenen Pestfriedhöfen, wie auch auf weiter Flur. Die Kreuze der ersten Epidemien in der Geschichte der Pest fallen noch unter den Steinkreuztypus. In Süddeutschland und Österreich trat häufig die Pestsäule an die Stelle des Kreuzes. Eine solche Pestsäule befindet sich z.B. in Straubing in der Nähe des Parkhauseingangs bei der Krankenhausgasse. Auf diesem Platz, der außerhalb der Stadtmauern lag, hatte man in den Pestjahren des 30-jährigen Krieges die Pesttoten beerdigt. Beim Parkhausbau in den 1970er Jahren fand man dann auch eine Menge menschlicher Knochen. Die drei gefundenen Steinkreuze in Haunkenzell deuten vermutlich auf verschiedene Pestzeiten hin. Das noch vorhandene Kreuz schätzen Fachleute auf etwa 600 Jahre. Allerdings wird von keinen Knochenfunden berichtet. Ergänzung: In ganz Bayern gibt es nur einen Ort, dessen Name an die Setzung eines Steinkreuzes vor langer Zeit erinnert: 'Steinernkreuz' bei Schönstein in der Gemeinde Stallwang. Übrigens sind in unserem Landkreis 18 solcher Steinkreuze erfasst, nur zwei davon mit einer Jahreszahl: 1638 in Amosried und 1467 in St. Englmar. Quelle: Jahresbericht Histor. Verein für Straubing und Umgebung, 1984 (Textkopie, Quelle: ...rattiszell.de-pdf: Gemeindebote 10/11, 2010: SÜHNE- ODER PESTKREUZ IN HAUNKENZELL?)
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